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positionen > Industriepolitik

Arno Brandt:
Niedersachsen sollte auch öffentliche Beteiligungen bei Unternehmen der Solartechnik bzw. des Windenergieanlagenbaus in Erwägung ziehen.

Wirtschaftsminister Olaf Lies hat zunächst einmal eine industriepolitisch bedeutsame Frage aufgeworfen, die auch für die niedersächsische Wirtschaft relevant ist. Wie kann das Land, das beim Ausbau der erneuerbaren Energien eine Führungsrolle übernimmt, nicht nur als Erzeuger von Energie einen Spitzenplatz besetzen, sondern sich auch als Produzent von Transformationstechnologien erfolgreich positionieren? Im Bereich des Windenergieanlagenbaus war dies in der Vergangenheit durchaus der Fall, im Bereich der Solartechnik hatten vor allem ostdeutsche Bundesländer die Nase vorne. Mittlerweile beherrscht China im Bereich des Anlagenbaus für Erneuerbare den Weltmarkt mit einem Anteil 80 Prozent für Solar und 60 Prozent für Wind. In Deutschland führt dieser Wirtschaftsbereich mittlerweile nur noch ein Schattendasein. Diese Entwicklung, die nicht zuletzt auf dem niedersächsischen Arbeitsmarkt seine Spuren hinterlassen hat, ist nicht in erster Linie auf Effizienzvorteile der chinesischen Industrie, sondern auf massive industriepolitische Interventionen des chinesischen Staates zurückzuführen.

Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass sich der Staat in diese Gemengelage nicht einmischen sollte und man darauf vertrauen sollte, dass der Markt am Ende schon alles richten wird. Aber die Verhältnisse sind nicht so. Von einem Markt für Transformationstechnologien, der für Investitionen in die produktivsten Investitionen des Wind- und Solaranlagenbaus sorgt, kann nicht die Rede sein. Wir haben es mit einer geopolitischen Lage zu tun, in der China und USA mit ihrer strategischen Industriepolitik gezielt Weltmarktanteile im Bereich der Transformationstechnologien auf Kosten der europäischen und deutschen Wirtschaft erobern. So gut wie alle Spielarten des Protektionismus kommen ihnen dabei gelegen. In dieser Situation tatenlos zuzuschauen und auf die Marktkräfte zu vertrauen, führt dazu, dass Wertschöpfung und Arbeitsplätze weiter verloren gehen und die Abhängigkeit vor allem von China im Bereich des Wind- und Solaranlagenbaus ins Unermessliche wächst. Die gerade im Zeichen der Zeitenwende vielbeschworene Technologiesouveränität bleibt dabei vollends auf der Strecke.

Der Vorschlag von Wirtschaftsminister Olaf Lies, öffentliche Minderheitsbeteiligungen an Unternehmen des Solaranlagenbaus in Erwägung zu ziehen ist vor diesem Hintergrund nur konsequent. Damit werden überdies zusätzliches Eigenkapital für die Unternehmen und auch Rückflüsse von staatlichen Fördermitteln, soweit das Engagement erfolgreich sein sollte, ermöglicht. Die mit öffentlichen Beteiligungen verbundene Einflussnahme auf Standortentscheidungen und die Sicherung von Tarifbindungen sind ein willkommener Nebeneffekt. Niedersachsen hat im Übrigen mit seinen öffentlichen Beteiligungen an der Volkswagen AG und der Salzgitter AG sehr gute Erfahrungen gemacht.

Dr. Arno Brandt
Leitender Redakteur des Neuen Archivs für Niedersachsen
Mitglied des Vorstandes der WIG
gro.xobliamobfsctd@tdnarb.onra.rd